Wahlkapitulation

Wahlkapitulation
Wahlkapitulation,
 
im Mittelalter und in der Neuzeit schriftlich fixierter Vertrag, durch den Wähler einem zu Wählenden Bedingungen für seine künftige Regierung stellten. Die Notwendigkeit der Bindung des Herrschers an das Recht führte ab dem 9. Jahrhundert zu Königsversprechen und Krönungsgelübden. Während diese in Frankreich vom frühen Mittelalter bis zur Französischen Revolution im Wesentlichen unverändert blieben, entwickelte sich daraus z. B. in England im Spätmittelalter ein langer Katalog von Zusagen. In Ungarn bestätigte der König vor der Krönung die Privilegien des Landes im Inauguraldiplom. Der Doge von Venedig musste ab 1192 eine Promissio beschwören. Im Heiligen Römischen Reich wurde es seit Beginn des 13. Jahrhunderts in den geistlichen Territorien üblich, dass die Domkapitel ihre starke Stellung bei der Wahl zur Vorlage von Wahlkapitulation ausnutzten, in denen es um ständische Forderungen ging. Diese Praxis wurde auf das Kaisertum übertragen: 1519 musste Karl V. als erster Römischer Kaiser einer solchen Wahlkapitulation (capitulatio caesarea) zustimmen, die seit 1711 zur ständigen, unveränderlichen Wahlkapitulation (capitulatio perpetua) wurde. Sie enthielt in erster Linie Bestimmungen zum Schutz der Libertät der deutschen Fürsten und Forderungen der Reichsreform. Wahlkapitulationen galten im Heiligen Römischen Reich als Reichsgrundgesetze und gründeten sich nach 1648 im Wesentlichen auf die Bestimmungen des Westfälischen Friedens. Einem starken Herrscher verblieb dennoch, sich in Fragen der Auslegung die unterschiedlichen Interessen der Reichstagskollegien zunutze zu machen.
 

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Wahl|ka|pi|tu|la|ti|on, die (hist.): (bei der Wahl eines weltlichen od. geistlichen Fürsten) schriftlich fixierter Vertrag, in dem der zu Wählende seinen Wählern für den Fall seiner Wahl bestimmte Versprechungen u. Zugeständnisse macht.

Universal-Lexikon. 2012.

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